Thomas MinderMeine Voten im StänderatKommentar schreiben

Der Titel der vorliegenden Motion klingt attraktiv. Es ist in der Tat so, dass derzeit auch die demokratischen Rechte von einem Virus befallen sind. Seit einem halben Jahr ist keine einzige Volksinitiative mehr lanciert worden. Eine solche Inaktivität gab es seit den Siebzigerjahren, seit die Bundeskanzlei alle lancierten Initiativen erfasst, noch nie. Kollege Rieder nimmt also ein wichtiges Thema auf, das mir ebenfalls am Herzen liegt und das bisher zwischen Stuhl und Bank gefallen ist.

Dennoch lehne ich diese Motion ab. Ich begründe dies wie folgt: Ziffer 1 will den Fristenstillstand und das Verschieben von Abstimmungen im Gesetz regeln. Ich glaube, wir würden den politischen Rechten keinen Dienst erweisen, wenn wir diese Möglichkeit sogenannt offizialisieren würden. Der Fristenstillstand ist nichts anderes als ein Verbot, die politischen Rechte wahrnehmen zu dürfen. Strassensammlungen wären verboten, und die Komitees müssten ihre Unterschriftenbögen sogar während Monaten von der eigenen Homepage entfernen. Der Fristenstillstand war also zusammen mit dem Versammlungsverbot ein krasser Grundrechtseingriff, der die Versammlungsfreiheit, die Meinungsäusserungsfreiheit, die Petitionsfreiheit und eben die Garantie der politischen Rechte stark einschränkte, wenn nicht gar temporär aufhob. So etwas gab es nicht einmal während der zwei Weltkriege. In der damaligen epidemiologischen Situation war das wohl gerechtfertigt und übrigens auch verfassungsrechtlich auf Artikel 185 der Bundesverfassung, die bundesrätliche Polizeigeneralklausel, abgestützt. Es gab und gibt also bereits eine Grundlage dafür, die jedoch nur im äussersten Notfall angerufen werden sollte.

Quelle und vollständiges Transkript (parlament.ch)

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