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Werte Schaffhauserinnen und Schaffhauser

«Lappi tue d’Augen uf» steht am Turm des Schwa­ben­tors in Schaffhausen. Warum Kunstmaler Arnold Oechslin diesen Spruch in den letzten Stein im Tor­bogen ein­graviert hat, bleibt offen. Schaffhau­ser­innen und Schaff­hauser verwenden den Spruch, wenn sie etwas Nahe­liegendes nicht sehen oder bemerken. In der Politik gibt es dieses Übersehen leider allzu oft. Ob Parlament oder Regierung, auch wir Politiker sehen ab und zu nicht, was vor uns liegt oder Unvorhergesehenes auf uns zukommt.

Fehlender Geist des «Lappi tue d’Augen uf»

Zu oft rennt der Bundesrat mit dem Feuerlöscher herum. Zu oft schleusen wir Vorlagen im Dringlichkeitsverfahren durch die Räte. Warum? Weil das so wichtige «gouverner, c’est prévoir» fehlt. Die Parlamentarier in Bundesbern reichen zwar Tausende Vorstösse und Anträge ein, versuchen den Millimeter zu regeln, sehen aber nicht den «Tsunami» kommen. Paradebeispiel: die Stromlücke und die explodierenden Strompreise und der damit verbundene Notkredit von 10 Milliarden an die Axpo, der Gross-Solar- und Windanlagen-Express, das Grounding der Credit Suisse, das nicht schwankungstaugliche Asylwesen, die Explosion der Gesundheitskosten, die viel zu starke Zuwanderung, die nicht nachhaltig geregelte AHV, um nur ein paar Beispiele aufzuzählen. Aufseiten Politiker braucht es also genau diesen Geist des «Lappi tue d’Augen uf», um viel früher die auf uns zukommenden Probleme und Herausforderungen zu antizipieren.

Exzessiver Gebrauch des bundesrätlichen Notrechts

Zu oft wendet der Bundesrat Notrecht an. In den letzten 22 Jahren deren neun Mal. Und dies, obwohl unser Staatsaufbau mit der direkten Demokratie und dem Souverän als Chef ein ganz anderer ist. Dass solche schnellen Entscheidungen nicht zu den besten gehören, ist unbestritten. Die milliardenschwere Enteignungsaktion des Bundesrats zur Rettung der CS war einer Demokratie unwürdig und ein Missbrauch des Notrechts.

UBS nicht mehr «too big to fail», sondern zu gross, gerettet zu werden

Besser wäre es gewesen, der Nationalbank (SNB) mehr als die erlaubten 50 Milliarden Notkredit zu gewähren, um diese der CS zur Seite zu stellen. Dadurch wäre die Credit Suisse eigenständig geblieben. Die UBS ist heute nicht «too big to fail», sondern zu gross, um überhaupt gerettet werden zu können. Die neue UBS hat eine Bilanzsumme von 1635 Milliarden – 20-mal so gross wie das Bundesbudget. Die Zwangsfusion wird in der Schweiz zu Tausenden von Entlassungen führen, für welche einmal mehr der Steuerzahler auf­kommt. Daran wird auch die PUK nichts ändern. Und das Allerschlimmste am ganzen Debakel: Die CS-Verantwortlichen werden nicht zur Rechen­schaft gezogen und können ihre abgezockten Millionen behalten.

Einziger unabhängiger Politiker in Bundesbern

Das nicht nachhaltige Lösen des «Grossbanken-Too big to fail» basiert auf einer desaströsen Fehlbeurteilung und hat seit dem UBS-Grounding im 2008 mehr als 325 Milliarden Staatshilfe gekostet. Vorstösse, wie man dieses Problem endlich regeln müsste, wurden längst eingereicht, auch von mir – übrigens bereits vor dem CS-Grounding. Als parteiloser Politiker spüre ich oft und früher, wo der Schuh drückt – ganz im Sinn von «Lappi tue d’Augen uf». – Ein weiterer, ganz wichtiger Grund, warum die Schweiz immer wieder eigenverursacht milliardenschwere Not-Interventionen lancieren muss, ist das unsäglich starke und verfilzte Lobbying in Bundesbern. Ich kann daher, als fast einziger unabhängiger Politiker in Bundesbern (ohne bezahlte oder unbezahlte Mandate), objektive und neutrale Entscheidungsfindungen treffen.

Tiefrote Zahlen zwingen zu Ausgabendisziplin

Liebe Schaffhauserinnen und Schaffhauser, unser Land steckt tief in den roten Zahlen. Die Bruttoverschuldung liegt bei 120 Milliarden. Der Bund hat im letzten Jahr ein Defizit von 4.3 Milliarden erwirtschaftet. Die laufende Rechnung fällt noch schlimmer aus. Es ist simpel und einfach: Ohne eine hohe Ausgabendisziplin in den kommenden Jahren, riskieren wir Steuerabgaben- und Gebührenerhöhungen. Doch das Portemonnaie von Frau und Herrn Schweizer ist durch den Anstieg der Krankenkassenprämien, der Teuerung, der Energiekosten und Mieten schon mehr als genug strapaziert.

Auch bei Bundesfinanzen gilt: «Lappi tue d’Augen uf»

Steuergelder auszugeben ist einfach, dazu braucht es keine besonderen Fähigkeiten. Gefragt sind jedoch Unternehmer und Politiker, welche sehr sorgsam mit dem Steuerfranken umgehen und ein Flair für das Kostenbewusstsein haben anstatt bei jeder Begehrlichkeit gleich einzuknicken. Es ist eine Schweizer Tugend, «nicht mehr auszugeben als einzunehmen». Somit gilt auch für die Bundesfinanzen: «Lappi tue d’Augen uf».

Die erste Demokratie Europas, 1848–2023

Dieses Jahr feiert die moderne Schweiz ihren 175. Geburtstag. Unsere erste Bundesverfassung entsteht. Aus der alten Eidgenossenschaft wurde schliesslich am 12. September 1848 ein Bundesstaat und die erste Demokratie in Europa. Der 1. August ist daher ein guter Moment, um inne zu halten und an unsere Werte wie Freiheit, Frieden in Solidarität, Rechtssicherheit, Unabhängigkeit und Sicherheit zu erinnern. Als Schaffhauser Ständerat setzte ich mich dafür ein, dass diese auch für zukünftige Generationen erhalten bleiben.

Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Bundesfeiertag!

Thomas Minder, Ständerat Kanton Schaffhausen

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